Public-IP: INEX-Veranstaltung zur Rassismusdebatte
Mitschnitt der Veranstaltung: "Punktsieg für den Antirassismus oder Reproduktion rassistischer Ausgrenzung? Die Sarrazin-Debatte als Spiegelbild deutscher Zustände zwischen Liberalisierung und Ressentiment."
Eine Diskussionsveranstaltung von INEX mit Andrea (alias, Dresden) und Lothar Galow-Bergemann / Markus Mersault (Emanzipation und Frieden, Stuttgart)
Am Donnerstag, den 16.12. 2010, 20.00 Uhr im Conne Island, Koburger Str. 3.
Der Einladungstext von INEX: Die Sarrazin-Debatte ist abgeflaut, der Ex-Bundesbankvorstand entlassen. Von der Regierungsspitze über die SPD bis hin zu antirassistischen Initiativen reichte das Spektrum, in dem zumindest Sarrazins These über biologische Auslese und die natürliche Minderwertigkeit muslimischer MigrantInnen zurückgewiesen wurde. Plötzlich gelten Kanada und die USA als nachahmenswerte Modelle für Einwanderungsgesellschaften – selbstkritische Töne über die Bringschuld der Aufnahmegesellschaft inklusive. Der Ministerpräsident des traditionell schwarzen Bundeslands Sachsen stellt sich mit seinem Plädoyer für mehr Zuwanderung gegen die 65 Prozent seines rassistischen WählerInnenpotentials. Kurzum: Deutschland scheint gewandelt. Im Vergleich zur pogromschwangeren Hetze von Volksparteien und Mob gegen das Asylrecht Anfang der 90er Jahre erscheint die Sarrazin-Debatte ausgewogen, pluralistisch, ja liberal.
Was für eine unvollständige und oberflächliche Darstellung. Sicherlich mag der Stammtisch-Rassismus im Elitendiskurs momentan nur eine Minderheitenposition sein, allerdings macht jede Umfrage über antimuslimische Ressentiments und die angebliche Überfremdung Deutschlands deutlich, wie groß das Potential für Radaurassismus immer noch ist. Zudem trägt die nur von Bildungs- und Wirtschaftseliten getragene Liberalisierung nicht weit, so lange sie strukturelle Ungleichbehandlung, wie das immer noch auf Abstammung beruhende Staatbürgerschaftsrecht, Aufenthaltsbeschränkungen für Flüchtlinge, schlechtere Bildungs- und Berufschancen etc., weitgehend unangetastet lässt. Und so plural war die veröffentlichte Meinung dann doch nicht, in der die meisten Sarrazin-KommentatorInnen vor allem eins diskutieren wollten: „Integrationsprobleme“. Selten war mit diesem Begriff die Diskussion über Werte und Normen einer Einwanderungsgesellschaft beabsichtigt, viel öfter meinten sie die politisch konservative, kultur-essenzialistische Forderung nach Anpassung an das so genannte christlich-jüdische Fundament Deutschlands. Am Ende der Debatte stand nicht nur der ohnehin ambivalente Ruf nach mehr „qualifizierter“ Einwanderung, sondern auch die Hysterie über angebliche „Deutschenfeindlichkeit“ und der Bannfluch der Kanzlerin über Multikulturalismus, den es gleichwohl in Deutschland noch nie gegeben hat.
Für eine radikale Linke taugt die Sarrazin-Kontroverse an keiner Stelle zur Parteinahme. Die Veranstaltung will zunächst klären, welche Positionen der landauf, landab die Säle füllende Sarrazin in diesem angeblich „meistgekauften Sachbuch seit dem NS“ überhaupt vertritt. Und mit der Debatte um seine Thesen sollen erneut die Fragen nach dem gesellschaftlichen Ist-Zustand gestellt werden: Wie stark ist der Rassismus heutzutage in Deutschland? Ist der Einwanderungsdiskurs der Wirtschaftseliten und ihrer politischen LautsprecherInnen überhaupt antirassistisch, und welchen Stellenwert haben darin die Werte der Aufklärung und bürgerliche Freiheiten? Die Relevanz dieser Fragen ist nicht nur eine analytische. Vielmehr ergeben sich aus den Antworten die Ansatzpunkte einer den Verhältnissen angemessenen linken Kritik.
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